Viele haben Angst vor dem Winter, besonders wenn viel Schnee auf den Dächern liegt und gar noch Tauwetter mit starken Regenfällen diesen Schnee bis zum Maximum schwer werden lässt. Auch in dem Nachrichten sind in diesem Winter wieder viele Berichte über eingestürzte Hallen, Märkte und sogar Schulhallen zu lesen gewesen. Sind die Normen falsch, sind die Handwerker zu dusslig und dumm, sind die Planer überfordert oder ist das alles ganz einfach zu erklären und normal?
Aus Sicht des Statikers sind hier viele Faktoren zu nennen, die diese Einstürze erklärlich werden lassen:
1. Viele eingestürzte Bauwerke sind mit Fachwerkträgern erstellt. Hier werden dünne Bretter mit Stahlverbindungsteilen zu einem Tragwerk als Fachwerkbalken verbunden. Diese Tragwerke sind zulässig, jedoch haben sie extrem wenig Tragsicherheitsreserven, da diese Konstruktionen äußerst wirtschaftlich sein sollen (billige Einkaufsmärkte, Ställe, Lagerhallen usw.). Hinzu kommt, dass die Statik für diese Konstruktionen kein Konstruktionsbüro (Statiker) berechnet, sondern diese Binder von den Herstellern selbst gerechnet werden, weil nur die Hersteller die Programme für diese Verbindungssystem haben. Auch häufig ist es aus Kostengründen aus dem Statikhonorar heraus genommen. Es wird dann ein Dach von irgend einer Firma berechnet und eingebaut. Nur dann, wenn das Gebäude unter die Prüfstatik fällt (also extern nochmals geprüft wird) erfolgt eine genaue Prüfung der Unterlagen und Berechnungen. In allen, den allermeisten Fällen (auch noch heute) erfolgt aber das nicht. Es kann also sein, dass irgend ein angelernter Bauzeichner oder Zimmerer diese Balken nach irgend einem Programm/Muster erstellt. Es ist naheliegend, dass hier sich infolge mangelnder Überprüfung und Qualifikation viele Fehler einschleichen können, die dann zu diesen Einstürzen führen können.
2. Die Belastung aus Schnee usw. ist in der Vergangenheit teils zu niedrig angesetzt worden. Schneeverwehungen, auf tiefere Dächer abrutschender Schnee sind vielfach nicht ausreichend berücksichtigt worden. In der neuen DIN 1055 sind hier jetzt teils höhere Lasten vorgesehen. Jedoch nützt auch alles in der Norm nichts, wenn unqualifizierte Planungen diese Punkte nicht umsetzen. Zuletzt ist es so, dass viele Dächer einfach so mit Solaranlagen und irgendwelchen zusätzlichen Lasten in als nicht ausgebauten Dachräumen zusätzlich belastet wurden. Auch dies dürfte einen Teil der Probleme erklären. Zuletzt ist es so, dass eine Norm nie alle tatsächlichen Faktoren und Umstände abdecken kann. Die Möglichkeit, dass ein extremes Schneeereignis höhere Lasten als in der Norm verursacht, ist immer gegeben.
3. Wer würde erwarten, dass ein Auto, wenn einmal gekauft, für immer ohne Wartung fährt? Bei Gebäuden hingegen ist diese Einstellung vorhanden. Es wird erst reagiert, wenn Risse oder andere Schäden sich abzeichnen. Dann aber ist es viel zu spät. Viele Probleme zeigen sich auch nicht lange vorher bzw. sind nur vom Fachmann zu erkennen. Es gibt keine Regelung, regelmäßig Bauwerke zu warten und zu prüfen.
Aus meiner Erfahrung als Baustatiker und Bausachverständiger sind wohl die meisten Neubauhallen im landwirtschaftlichen Bereich mit Mängeln behaftet. Auch im Hallenbereich von Einkaufsmärkten sind massive Mängel vorhanden. Überprüfungen von Wohnhäusern bei meinen Baugutachten bringen auch bei ca. 50% der Fälle massive statische Mängel zu Tage. Es wundert mich daher ehr, dass so wenig Einstürze und Gefährdungen zu vermelden sind.
In den letzten 4 Wochen habe ich z.B. 2 Holzhallen und einen Dachstuhl eines Neubaus überprüft. Die eine Holzhalle wurde sofort gesichert, weil massiv einsturz gefährdet. Die andere Holzhalle ist massiv noch nachzubessern. Das Neubaudach wird noch nachgearbeitet.
Es ist also mehr als berechtigt, Angst vor dem Winter und vor allem den Schnee zu haben!